Poster curated for Lerchenfeld #63 with contributions by Cana Bilir-Meier, Sofia Duchovny, Kervin Saint Pere, Annette Wehrmann

Elena Malzew
Poster als Medium der Gegenöffentlichkeit

Veröffentlichen ist der Prozess der Überschreitung des (vermeintlich) Privaten hinein in eine Öffentlichkeit. Obwohl von dieser Öffentlichkeit hoffnungsvoll erwartet wird, für alle gleichermaßen zugänglich zu sein, ist sie eine umkämpfte Sphäre, zu welcher der Zugang immer noch das Privileg von Wenigen ist. Gerade im Feld der Kunst bleibt marginalisierten Menschen die notwendige Öffentlichkeit der Institutionen der Dominanzkultur verwehrt. Zum einen erschweren symbolische und ökonomische Barrieren ihnen den Zugang, zum anderen fehlt ihnen das notwendige Kapital, um die öffentlichkeitslosen Jahre beruflicher Unsicherheit zu ertragen.

Sofia Duchovnys Poster (im Poster) zum Action-Thriller Culture and Crime stammt aus einer Serie zu fiktiven Filmen. Die Arbeit spielt mit der vertrauten und zugänglichen Ästhetik des Filmplakats und problematisiert gleichzeitig Zugänge und Ausschlüsse durch machtvolle Bekanntschaften im Feld der Kunst.

Kervin Saint Pere interessiert sich für die koloniale Geschichte von öffentlichen Denkmälern und Gebäuden und zeigt mit seinen Interventionen koloniale Kontinuitäten auf. So überzog er die blauen ‘Kultur-Denkmal-Tafeln’ der Stadt Hamburg mit selbst bedruckten, dekolonialen Erzählungen und irritierte das historische Narrativ der selektiven Erinnerung im öffentlichen Raum.

Auch Cana Bilir-Meier arbeitet mit alternativen Archiven und sucht neue Möglichkeiten von Öffentlichkeit. Im Zentrum stehen dabei sowohl historische Ereignisse als auch persönliche Schicksale von marginalisierten Personen. In Migratory Birds collagiert sie in Familienarchiven gefundene Lohnsteuerabrechnungen aus der Treibstofffabrik ihres Großvaters mit von ihm angefertigten Zeichnungen von Zugvögeln aus demselben Fundus.

Öffentlichkeit war für Annette Wehrmann ein zentrales Thema. Die Künstlerin setzte sich in ihren Lesungen, Spaziergängen und Performances mit unterschiedlichen Spielarten von Öffentlichkeit(en) auseinander. Einen solchen Einsatz lieferte sie mit ihren Luftschlangentexten, welche sie im Rahmen von Performances vortrug.

Der Umschlag der vorliegenden Ausgabe von Lerchenfeld lässt sich zu einem Poster entfalten. Poster sind das Medium der Gegenöffentlichkeit. Sie nehmen sich Öffentlichkeit, ohne um Erlaubnis der Institutionen zu bitten. Damit öffnet sich ein neuer partizipativer Raum einer demokratisierten Öffentlichkeit, in dem Geschichten und Erfahrungen geteilt werden können. Allerdings sollten wir uns keine Illusionen machen, zumeist hängen sie abseits der ertragreichen Zentren (hier: Museen, Galerien, Kunstvereine).