Elena Malzew, For your eyes only: Praktiken des Verbergens

Galerie Karen GuentherHamburg2019

Accompanying text for the exhibition by Elisa Barrera, Sofia Duchovny, and Ane Kvåle Either we will lie or if not not at Galerie Karin Guenther, Hamburg

Elena Malzew
For your eyes only: Praktiken des Verbergens

Wenn der Vorhang fällt, sieh hinter die Kulissen. Allerdings ist nicht jeder Blick erwünscht: Vor manchen Blicken verstecken wir uns, weil sie womöglich etwas verletzendes über uns verraten könnten. Wir verlieren die Kontrolle über das Bild von uns und es kommt zu einer Verschiebung, denn manche Sichtbarkeiten provozieren Einsichten, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen, “das Licht hat sich geändert, ich liebe dich nicht mehr” (Pollesch). Überdeutlich wird diese ontologische Verletzbarkeit im Empfinden von Scham: Wir fühlen uns exponiert, ausgeliefert, ohne Schutz und wollen in eine schützende Dunkelheit verschwinden. Dass Blicke (Gaze) eine machtvolle und disziplinierende Dimension haben, ist bereits aus religiösen Praktiken bekannt: ‘Gott sieht alles’. Gleichsam wollen wir gesehen werden, wir suchen die Anerkennung in den Augen der anderen, take a look at me now - und es gibt eine quasi-voyeuristische Freude am Hinsehen (Scopophilia).

Was kann/darf/will man heute eigentlich noch legitim verheimlichen? Es gibt eine Vielzahl von gesellschaftlichen ‘Praktiken des Verbergens’, deren Ziel ist es, die Ökonomie der Blicke zu bändigen. Sie bemühen sich, eine Grenze zwischen dem öffentlich Sichtbaren und dem Privaten zu konstituieren: Vorhänge, Schlösser, Türen, Schleier haben die redliche Aufgabe, etwas vor ungewollten Blicken zu verbergen. Dies weckt wiederum das Interesse von Voyeuren, die sich danach sehnen, sich diese Sichtbarkeit zu erschleichen, denn freilich hat das Verborgene einen besonderen Reiz. “Die Sichtbarkeit ist eine Falle”, konstatiert Foucault, denn der Blick der Anderen wird zum verinnerlichten Blick auf uns selbst. Intimität kann auch eine Zumutung sein, die Dunkelheit spendet Schutz.

Obwohl alle drei Künstlerinnen - Elisa Barrera, Sofia Duchovny, Ane Kvåle - formal unterschiedlich arbeiten, lässt sich abseits vom geteilten Interesse an Fragen der Sichtbarkeit respektive des Verbergens, eine gemeinsame Begeisterung für Oberflächen sowie Linien und Konturen erkennen. Die Arbeiten tragen Spuren von Camp - ohne dabei jedoch auf eine inhaltliche Dimensionen verzichten zu wollen. Sie nehmen Bezug auf Ornamente und Muster, die auf den ersten Blick dekorativ oder gar oberflächlich scheinen. Diese sind jedoch kein nostalgisch- sehnsüchtiger Verweis auf eine vergangene Zeit, es sind vielmehr Verschiebungen und intermediale Bezugnahmen. Sie deuten in ihrer Fragmentierung auf Spuren des täglichen Lebens, sie bilden einen wuchtigen Kontrast zur geradezu formalen und zeitgenössischen Sprache. Barrera, Duchovny und Kvåle arbeiten mit radikalen Reduzierungen, bis nur noch zärtliche Umrisse und Andeutungen bleiben, die gerade noch im Moment ihres Verschwindens sicht- und greifbar sind. Dabei lassen die verbleibenden Konturen und Schatten Szenen und Welten erahnen, die kurz vor der Auflösung stehen, die durch Assoziation wirken und trotzdem Welten an Bildern evozieren.